Sonntag, Mai 21, 2006

Von Drei und Ecken.

Von alters her faszinierend das Dreieck, dessentwillen ein verräterischer Pythagoräer - so will es Fama - sein Leben gelassen haben soll, indem man ihn, nachdem er dessen Geheimnis verraten hatte, von Klippen in's Meer geworfen haben soll. Faszinosum und Todbringer also, und was mochte er, der Verräter, gedacht haben im Fall, wie mochte er dies Eidolon, die Lehre derer, die ihn in den Tod stürzten - war's die Seine? - verflucht haben?
Ja, ich finde mich im Fall, und ich verfluche das Dreieck, im steten Fall ohne Aufprall, verfluche die Drei Ecken, die die längste Zeit Dreieck sind. Im Fall rauscht der Wind, der Fallwind, in meinen Ohren - das Bild des gefrorenen Wasserfalls -; ein Übergehen in's Blau-Schwarz des Abendhimmels, Richtung Sonnenuntergang (warum der dramatische Sonnenuntergang? - meinetwegen eben auch ein -Aufgang) - ja, der einsam in die Landschaft gepflanzte Hügel, Berg, die, meinetwegen, Erhebung, sich dem Zugfenster nähernd. Bild um Bild im endlosen Sich-Annähern an den Erdmittelpunkt, Bilder, die man nicht - mehr - heraufbeschwören darf, es hinabstürzend dennoch tut; Bilder, die sich einem genommen haben, die man sich genommen hat. Gegenwarten, die ver-gangen sind, Zeit, die gestohlen ist (ein schwerwiegenderes, nie wiedergutzumachenderes Verbrechen als Zeitdiebstahl überhaupt möglich?).
Einen Schwerpunkt, einen Umkreis, einen Innkreis, eine Euler'sche Gerade, wird dies Dreieck nimmer - wieder ein dramatisches Wort, zu werten etwa wie ein auf den Holz-, Gefängnis-, Palasttisch fauststark hämmerndes "nimmermehr" in einem Stück der so genannten Klassiker - finden. Er prallt auf die Wasseroberfläche, die ihn, gespannt wie eine Bogensehne, hart wie ein eichernes Brett, empfängt. Das Dreieck ist die längste Zeit Dreieck gewesen, Faszinosum und Todbringer, Ikaros gestürzt. Ende der Mythen.