Sonntag, Februar 26, 2006

Sehnsucht.

Ich habe Sehnsucht nach der Felshütte des Erzählers, die ich, zur Gänze vereint, bewohnen will.

Dienstag, Februar 07, 2006

Halbe Rückkehr.

Nach vierwöchiger Grundausbildung in Graz, verbracht zu einem Großteil in Krankenrevier, Innendienst und Militärspital, konnte ich endlich nach Wien "heim"kehren (Heimat - nicht ident mit der Postanschrift, weiß man sich doch beheimatet in Armen, in denen die Welt als Heimat neu ersteht). Vier Wochen in geistigem Vacuum, das, geballt in einem 18-Bett-Zimmer, lebendig wird durch den Morgengestank der achtzehnfachen Ausdünstungen; fast ironisch mutet es an, wenn die Sonne aufgeht und olivgrüne Langeweile in ihr gleißendes Licht taucht, wenn die Mondsichel sich durch klaren Nachthimmel gräbt. Nebel, der kaum Sonnenlicht gewährt, gewährt dem Olivgrün schon zuviel Licht. Stunden, verbracht in überheizten Warteräumen - überheizt oder beinschneidend kalt ist's, nichts dazwischen - dösend (döst man nicht Tag ein, Tag aus, gekleidet in einen Mantel bleierner Müdigkeit, der Dich gefügig machen soll, auch im Laufschritt vor sich hin?). Auch unter 50 Gleichaltrigen ist man alleine, verspürt Ekel, den knarrenden Fußboden des Zimmers zu betreten, unter dem von der SS in den letzten Kriegstagen erschossene Menschen ihre letzte Ruhe fanden -- ewiger Fluch der Kaserne, ja des Bundesheeres, und die Schweine sind doch dieselben geblieben.
Ihre Stirn mürrisch runzelnd die Ausbildner, Gestrandete mit zusammengezogenen Augenbrauen, leerem Blick, gaumig-plebejischer Stimme, die durch die kalte Luft ihre Befehle bellen. Lächle aber, Freund, lächle in's Gesicht ihnen, widrigenfalls Du eines Tages, in der "Einteilung" ironischen Tons gefragt werden wirst, warum Du denn nie lächeln würdest, und Du Dein gesamtes Wesen mit ein paar Worten hinterfragt fühlen könntest. Lächle Dir Dein Innerstes, das - Du spürst es von Tag zu Tag - einfriert, abstirbt, für kurze Augenblicke auftaut und umso schmerzender hernach wieder gefriert, heraus, indem Du es ihnen ("ihnen", "sie", im Gegensatz zu "wir" - Haß, furchtgegründet, der verbinden sollte, es aber nicht tut) gehorsam mit einem "Jawohl" vor die Füße speist. Du bist bedeutungsloses Rad, Teil der Einheit, entwürdigt schon dadurch, von Dir in der dritten Person sprechen zu müssen.

Gemeinsam ein Ziel erreichen. Wir sind nur so stark, wie das schwächste Glied der Kette.

Das Exerzieren: Jedes "Habt Acht!" ultimative Leugnung des Selbst, das seinen Superlativ findet im Gleichschritt-Marschieren; wer sich dem Trott des Gleichschritts nicht unterordnet, verzweifelt um sich kämpft, wird zurechtgebellt. Humanes "Sprechen", Gehen, ist mir während dieser Tage, Wochen, dieses Monats, kaum begegnet. Vor dem Kasernentor haben sie halt gemacht, sind dem Trott, dem Befehlsgrunzen gewichen.

Jede freie Minute, nachdem Du, ein Lied (vielleicht den Gefangenenchor aus Beethovens "Fidelio") summend, das Schreckensgeviert der Kaserne hinter Dir ließest, ist doch nur geprägt vom Bild der Sanduhr, durch die Deine freie Zeit, denn Du zählst sie, wirst durch das Zählen verdrießlich, im Gedanken "morgen um diese Zeit werde ich ...", rieselt. Wenn Du träumst, holen Dich Schatten, die Dich "richtig" zu liegen heißen, ein, ohne daß Du sie wegtreten könntest, ohne daß im Qualm Deiner Zigaretten (Freund, Du rauchst deren zwanzig pro Tag) sie verschwänden.

Die Kameradschaft, findest Du Trost und Geborgenheit in ihr? Du, dem dieses hoch- und hohlklingende, tönerne, Wort bestenfalls Abstraktum war und ist? Du, der Menschen, wie Deine Kameraden sie sind, im Zivilleben ausweicht, sich zurückzieht (kein Mediopassiv, vielmehr immer schon darin lebte) in einen, wie er meint, exklusiven Freundeskreis, fühlst Dich hier unerwünscht und fehl am Platz. Beim Gruppenrauchen stehst Du alleine, begehrst nichts anderes, als in Ruhe gelassen zu werden, da jeder Blick Dir prüfend, jedes Wort Dir als Dolchstich erscheint. - Bist doch ein Kameradenschwein, wirst immerdar alleine sein. - Du wirst Deinen Freundeskreis, Seelenverwandte teilweise, wiedersehen, Deine Zukunft in Armen halten, an die bei Abschieden Du Dich, sinnlos, denn an Dir klebte der Schatten, klammertest wie Du in Gedanken Dich immer klammerst. Du bist nicht alleine.

Zeit, Du bist für dieses Mal, schleichende Sekundenfresserin, auf meiner Seite, bringst deinen Untertan von Tag zu Tag, den Schatten zum Trotz, näher dem Ziel auf dem Gefährt Deiner Zeiger.