Donnerstag, August 18, 2005

Betrachtungen eines Antipolitischen

Thomas-Mann-Kennern mag dieser Titel mitunter nicht unbekannt sein (Betrachtungen eines Unpolitischen, 1918) und umso angebrachter scheint es mir daher, auf das Präfix "anti-" aufmerksam zu machen, das für mich das bedeutet, was ich in diesem Eintrag näher ausführen möchte: nicht "un-"politisch im Sinne des sich besaufenden Desinteresses an allem, was über den Krügerlrand hinausgeht, und der aus dem Konsum von sieben Krügeln resultierenden Stammtischrhethorik; "un-"politisch auch nicht im Sinne eines Thomas Mann, sich, gleichwohl einer der herausragendsten deutschsprachigen Literaten, im Preis der "humanen" Demokratie ergehend und gegen Ende seiner Tage der Meinung, jeder vernünftige Mensch müsse "gemäßigter Sozialist" sein; "anti-"politisch jedoch im freiheitlichen Sinne, der Verachtung und Verdammung all dessen, welches das Kollektiv über das Individuum stellt; all dessen, welches den von F. A. von Hayek postulierten Unterschied zwischen Makro- und Mikrokosmos verkennt; all der Berufspolitiker, die im Stimmenrausch der berauschten plebs schier
unermüdlich das Sozialste des Sozialen in ihre Bierkrüge schenkt. Kurzum: der Politik im kontinentaleuropäischen Sinne, die, sei es im spätrepublikanischen und kaiserlichen Rom, im Frankreich des Absolutismus, im Operettenstaat einer k.u.k.-Monarchie, im stechschrittbesäten Deutschland und auch im sozialsozialen, umweltfreundlichen, mulitkulturellen, demokratischen, liberalen Europa, nie eine freiheitliche war und ist.
Freiheit also. Freiheit - ein Begriff, mit dem die Wilhelms, die Hitlers, die Schröders (seltsam: allesamt Deutsche?!), die Jakobiner, die Napoléons, die de Gaulles und Chiracs (seltsam: allesamt Franzosen?!) der Menscheitsgeschichte ihr Schindluder getrieben haben. Die etwas ermüdende und trockene Debatte über die Definition des Wortes "Freiheit", wie sie die europäische Geistesgeschichte seit Jahrtausenden durchzieht, wird im folgenden unerwähnt bleiben, indes bringe ich meine Definition des Wortes "Freiheit" auf's Tapet: Mein Leben leben und beenden zu können, wie Mir es beliebt; wie Mir es beliebt zu handeln, auch ohne Rücksicht auf irgendeine Mehrheitsmeinung; schaffen zu können, dafür die Verantwortung zu tragen, mich nicht vor irgendeinem Leviathanischen Ungetüm rechtfertigen zu müssen.
Staat und Politik sind mir daher zutiefst verhaßt, mir Ungetüme, die ihre Greifarme unermüdlich auszubreiten suchen, die, um den von mir bereits wage formulierten Mythos des Ikaros weiterzuspinnen, den Ikaros am Fluge hindern. Politik im besonderen ist mir ein Kasperltheater mit in der Regel durchschnittlichen Acteuren, deren Reigen nur selten von Männern mit Unterhaltungsformat wie einem Jörg Haider oder Andreas Mölzer unterbrochen wird, lachhafter Hahnenkampf, der olympiadenweise seinen Höhepunkt erreicht.
"Nennen Sie doch Alternativen?" - damit pflegen die Einwände der Sklaven des status quo ihren Anfang zu nehmen. Nun, diesen Einwänden soll entgegnet werden, nicht jedoch in diesem Beitrag.

Montag, August 15, 2005

Kontraproduktives I

  • In einer dreckigen Badewanne baden
  • Ein Klingelton, identisch mit der Geräuschkulisse der Umgebung
  • Bewegungstherapie für Übergewichtige: Laufen zur nächsten Filiale eines Fastfood-Lokals
  • Plastikblumen gießen (geteiltes Urheberrecht, über das der Angesprochene bescheidweiß)

Sonntag, August 07, 2005

Der Mythos des Ikaros

Dixit et ignotas animum dimittit in artes.


Nicht von ungefähr kommt's, daß ich Vers 188 aus dem 8. Buch der Metamorphosen Ovids, welchen übrigens James Joyce seinem durchaus lesenswerten Roman "Portait of the Artist as a Young Man" voranschickte, zum Leitspruch dieses Quasi-Diariums erkor, den ich wie folgt übersetzt wissen möchte: "Sprach's und schickte in Künste den Geist, unbekannte." (ich bin, wie man - zurecht - einwenden kann, kein Klopstock). Gemeinhin gilt Daedalus (griech. Daidalos) als Sinnbild des erfindungsreichen Handwerkers, Mensch durch und durch, der - seinen Neffen aus Neid ermordet - nach Kreta flieht, von Kreta wiederum, da König Minos ihn festhält, fliehen will. Ikaros seinerseits gilt als Sinnbild menschlichen Strebens, das ihm schließlich, der er zu nahe an
der das Wachs seiner künstlichen Flügeln schmelzenden Sonne fliegt, den Tod bringt - die philologische Diskussion und weitere Interpretation wird getrost denen überlassen, die sich dazu berufen fühlen.
Mich faszinierend: Der Augenblick, da in Ikaros das Streben erwacht; der Augenblick, da Daedalus im erhabenen Hexameter seinen "animum" in "ignotas artes" "dimittit". Augenblicke, in denen das den Menschen seit Urzeiten Treibende zum Ausdruck kommt, unvergänglich und ewig. Mein Urgroßvater schrieb in den frühen 1910er-Jahren, vermutlich kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, treffend: "Des Menschen Ziel heißt aufwärts streben." Womit er - ob bewußt oder unbewußt - das ewige Streben des Menschen, das Aufwärtsstreben des Ikaros, treffend beschrieb, ehe das Wachs der Welt am Ersten Weltkriege schmelzen sollte.
Eine Gratwanderung zwischen Leben und Untergang ist das Aufwärtsstreben des Menschen, notwendig und nur als solche möglich jedoch, die irgend zu unterbinden sie sogleich unmöglich macht; die, wenn unterbunden, sich fortschrittshemmend erweisen würde; die selbst gescheitert sich noch als schöpferisch erweist (das Stürzen des Ikaros gab ja dem Ikarischen Meer seinen Namen).
Wer die Mythen der Menschheit im Hades sucht, sucht an der falschen Stelle: Ein Mythos des Ikaros ist es, gratwandernde Schaffensfreude, Aufwärtsstreben, an den zu glauben, und nicht nur zu glauben, den auch zu leben es gilt, Triebfeder der Zivilisation.

Anmerkung: Klopstock übersetzt: "Sprach's: und wendet den Geist auf unerspähete Künste."

Mittwoch, August 03, 2005

Seltsames I

Unter diesem Titel wird fürderhin veröffentlicht, was ich für seltsam halte, was mich stutzig macht, ich kaum glauben kann. Kurz fällt der erste Teil dieser Rubrik aus: Peter Handke sei, wie ein Freund meinte, farbenblind. Seltsam.

PS: Die Link-Liste zur Rechten wurde um einige lesenswerte Blogs erweitert.